Blau-grün-graue Infrastrukturen – Entwicklung von Gestaltungsoptionen in partizipativen Planungsprozessen

16. September 2019 - netWORKS 4: In eigener Sache

netWORKS 4 hat seine Ergebnisse für fünf Berliner Fokusgebiete präsentiert

Die Folgen des Klimawandels, wie Starkniederschläge, Hochwasser, Hitze- und Trockenperioden, stellen Städte und ihre Infrastrukturen vor Herausforderungen. Infrastrukturen, die vor 100 Jahren noch als „richtig“ und angemessen erschienen, werden sich mit Blick auf den Klimawandel anpassen bzw. transformieren müssen. Diesen Herausforderungen müssen sich Planer*innen sowie Betreiber von Infrastrukturen stellen. Gefordert sind nicht nur angepasste technische Lösungen der Infrastrukturen, sondern auch veränderte Verfahren und Prozesse zur integrierten Planung der Stadt und ihrer (Wasser-) Infrastrukturen sowie ihrer Umsetzung. Darüber hinaus steigen die Anforderungen an Infrastrukturen, gezielt Beiträge zu einer Verbesserung der städtischen Lebensqualität zu leisten.

Vor diesem Hintergrund hat netWORKS 4 gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, Fachbereichen aus dem Bezirksamt Pankow und weiteren lokalen Akteuren für stadttypische Gebiete in Berlin-Pankow untersucht, wie eine integrierte und vernetzte Stadt- und Infrastrukturplanung durchgeführt und umgesetzt werden kann. Im Fokus stand dabei die vernetzte Planung von grauen (z.B. Wasser und Abwasser in Leitungen und Kanälen, Anlagen zur Betriebswassernutzug), grünen (z.B. unversiegelte Freiflächen, Bauwerksbegrünungen) und blauen (z.B. künstliche Teiche, Gerinne, Wasserspiele) Infrastrukturen.

Der betrachtete Planungsraum liegt in einem Stadtumbaugebiet und kombiniert u.a. die Sanierung, Erneuerung und Erweiterung von Grün- und Freiflächen, Kitas und Schulen im Bestand sowie die Planung einer neuen Wohnbebauung als „ökologisch-soziales Modellquartier“. In Abstimmung mit dem Bezirksamt Pankow (Abt. Stadtentwicklung und Bürgerdienste, Stadtentwicklungsamt) wurden im Stadtumbaugebiet in Berlin-Pankow verschiedene "Fokusgebiete" zur Bearbeitung in netWORKS 4 ausgewählt:

Abbildung: Die Fokusgebiete im Kontext des Stadtumbaugebiets; eigene Darstellung

Für die fünf Fokusgebiete wurden partizipativ mit lokalen Akteuren (Träger sozialer Infrastrukturen, Wohnungsgesellschaften) und den Fachleuten der Bezirksverwaltung (z.B. Grün-, Verkehrs-, Stadtplaner, Hochbau) Machbarkeitsstudien auf Basis blau-grün-grauer Infrastrukturen erarbeitet. Dazu wurde ein methodisches Vorgehen entwickelt und angewendet, das systematisch von einer Analyse der Standortbedingungen sowie Bestimmung und Auswahl planerischer Zielen der Gebietsentwicklung ausgeht. Die Priorisierung von planerischen Zielen unter der Beteiligung von lokalen Akteuren ist ein wichtiger Schritt, um im weiteren Prozess die Auswahl geeigneter Bausteine gekoppelter Infrastrukturen zu erleichtern.

Abbildung: Infokarten gekoppelter Infrastrukuturen im Einsatz
Bildquelle: Jeremy Anterola, Dreiseitl, 4.7.2018

Um lokale Akteure aktiv in die Planung gekoppelter Infrastrukturen einbinden zu können, wurden „Infokarten“ für die einzelnen Möglichkeiten zur Vernetzung der Infrastrukturen entwickelt. Diese Infokarten ermöglichen es Teilnehmer*innen, die sich zuvor nicht vertieft mit Wasser und Grün bzw. Infrastrukturen und Planung befasst haben, sich aktiv in Planungsprozessen zu beteiligen und eigene Vorstellungen für die Gestaltung von Grundstücken und Quartieren und einen veränderten Umgang mit Wasser zu entwicklen.

Die partizipativ erarbeiteten Gestaltungsvorschläge bildeten die Grundlage für die Ausarbeitung planerischer Machbarkeitsstudien.

Abbildung: Partizipative Entwicklung von Gestaltungsoptionen
Bildquelle: Martina Winker, 14.11.2018

Im Rahmen von zwei Veranstaltungen, eine im Quartier und eine stadtübergreifend, hat der Forschungsverbund die Machbarkeitsstudien und Schlussfolgerungen aus dem gemeinsamen Planungsprozess sowie der Abschätzung von Wirkungspotenzialen vorgestellt.

Zentrale Schlüsse, die aus den partizipativen Planungsprozessen gezogen wurden, sind:

  • Die frühzeitige Verankerung der Themen Wasser und gekoppelte Infrastrukturen in städtischen Planungsprozessen hat sich als sinnvoll und effektiv erwiesen. Blau-grün-graue Infrastrukturen haben zum einen Flächenbedarfe, die frühzeitig in der Planung zu berücksichtigen sind. Zum anderen ermöglicht es die Auseinandersetzung mit gekoppelten Infrastrukturen, sowohl planerische Ziele, die sonst ggf. nicht thematisiert bzw. nur standardmäßig geprüft würden (Gewässerschutz, Umweltbildung), als auch neue Qualitäten bzw. Potenziale zur Gestaltung des Planungsgebiets einzutragen.
  • Weiche planerische Ziele wie Identifikation, Begegnung/Aufenthaltsqualität sind attraktiv und können mittels gekoppelter Infrastrukturen gestützt/gestärkt werden.
  • Die Akzeptanz blau-grün-grauer Infrastrukturen scheint in der Bevölkerung und bei privaten Akteuren (z.B. Träger sozialer Infrastrukturen) oft höher als vermutet. Dieses Potenzial gilt es im Planungsprozess zu aktivieren. Wichtig ist dabei, im Prozess und zwischen den Akteuren Klarheit über die Erwartungen und Erfordernisse im Hinblick auf die Bewirtschaftung der Wasserressourcen herzustellen.
  • Ein partizipatives Vorgehen im Prozess und die eingesetzen Tools (Infokarten, Workshop-Formate) sind geeignet auch mit Laien Gestaltungsoptionen zu entwickeln, die die planerischen Ziele (in diesem Fall natürlicher Wasserhaushalt und Gewässerschutz) erreichen. Berechnungen zur Bewertung des Wasserhaushaltes zeigen eine Annäherung an den natürlichen Wasserhaushalt an.

Abbildung: Berechnung zur Bewertung des Wasserhaushaltes – Abweichungen von der natürlichen Wasserbilanz in einem Fokusgebiet; eigene Darstellung

  • Die verschiedenen Vorschläge und Konzepte zur Kopplung der Infrastrukturen in den Fokusgebieten tragen zu einer Reduzierung des Regenwasserabflusses und zugleich zu einer Erhöhung der Verdunstung (und damit zu Kühlung) bei. Durch die Integration eines Notüberlaufs (Mulde) in den Fokusgebieten ließen sich die Konzepte auch auf Starkregenereignisse auslegen. Blau-grün-graue Infrastrukturen erweisen sich damit als ein wichtiger Ansatz zur Anpassung an den Klimawandel.
  • Als neuralgischer Punkt wurde wiederholt die Frage nach der Absicherung der Pflege der grünen Infrastrukturen bzw. des Betriebs der Maßnahmenbausteine genannt. Wie kann sichergestellt werden, dass die Funktionsfähigkeit der einzelnen Bausteine und ihr Zusammenspiel als gekoppelte Infrastrukturen dauerhaft gesichert ist?

Aus der Diskussion auf den beiden Veranstaltungen sind folgenden Punkte hervorzuheben:

  • Die Gestaltung der Kooperation und Kommunikation zwischen dem Forschungsprojekt und den Praxisakteuren war aufwendig. Sehr förderlich war die Bündelung der Kommunikation über definierte Ansprechpartner. Die Zusammenarbeit wurde auch dadurch befördert, dass der Forschungsverbund sich in enger Abstimmung mit dem Bezirksamt in die laufenden Planungsprozesse eingebracht hat und die eigenen Aktivitäten (z.B. Workshops in den Fokusgebieten) an den übergeordnenten Prozessdynamiken und Befindlichkeiten ausgerichtet hatte.
  • Ein weiterer Punkt drehte sich um die Frage, wie dezentrale Regenwasserbewirtschaft (und weiter gedacht: gekoppelte Infrastrukturen) in Bestandsgebieten in die Umsetzung kommen können. In Neubauplanungsgebieten wird dezentrale Regenwasserbewirtschaftung in Berlin heute weitestgehend eingeplant. Die Herausforderung besteht jedoch darin, in den bereits gebauten Gebieten, einen veränderten Umgang mit Wasser zu ermöglichen und umzusetzen.

Die planerischen Machbarkeitsstudien befinden sich in der Finalisierung und werden zeitnah auf der Projektseite https://networks-group.de/de veröffentlicht.