Wie wird das wachsende Berlin zur "wassersensiblen" Stadt?

5. April 2018 - netWORKS 4: In eigener Sache

Forschungsverbund netWORKS 4 im Dialog mit der Berliner Politik - Difu-Dialoge zur Zukunft der Städte vom 21. März 2018

Berlin ist eine von zwei Partnerstädten im Forschungsverbund netWORKS 4. Gemeinsam mit den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wohnen sowie Umwelt, Verkehr und Klimaschutz untersucht netWORKS 4 in Berlin für stadttypische Gebiete wie eine integrierte und vernetzte Planung und Kopplung von grauen (im Projekt die technische Regen- und Abwasserentsorgungsinfrastruktur), grünen (Parks und Grünflächen) und blauen (Gewässer und Wasserflächen) Infrastrukturen umgesetzt werden können. Dafür stehen verschiedene Maßnahmenbausteine in der Kette Gebäude/Grundstück-Quartier-Kanaleinzugsgebiet zur Verfügung wie z.B. die Gebäudebegrünung, Betriebswassernutzung, künstliche Wasserflächen oder Wasserspielplätze.

Vor dem Hintergrund erster Erfahrungen aus der Diskussion mit Akteuren im Modellgebiet trat der Forschungsverbund im Rahmen der Reihe „Difu-Dialoge zur Zukunft der Städte“ in Dialog mit der Berliner Politik. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher, und Ulrike Franzke von den Berliner Wasserbetrieben (Leiterin der Abwasserentsorgung) erläuterten ihre Vorstellungen einer „wassersensiblen“ Stadt vor dem Hintergrund der Herausforderungen Berlins als wachsende Stadt und gingen dabei auch auf bestehende Herausforderungen und Hemmnisse ein:

In der Koalitionsvereinbarung des Landes Berlin für die Legislaturperiode 2016-2021 wurden klare Ziele für den Neubau und die Erweiterung von Quartieren vereinbart. Verbindliche Leitlinien, in denen das flächensparende ökologische Bauen, Dach- und Fassadenbegrünungen und neue Formen des urbanen Gärtnerns sowie innovative Energie- und wasserwirtschaftliche Konzepte integriert sind, sollen erarbeitet werden.

Berlin soll sich zu einer resilienten (widerstandsfähigen) Stadt entwickeln, die auf sich verändernde Rahmenbedingungen wie z.B. Wachstum, Schrumpfung, Starkniederschläge und Hitzestress gut vorbereitet ist. Der künftige Umgang mit Wasser und die Gestaltung der Wasserinfrastrukturen in der Stadt sind dabei zentrale Handlungsfelder. Zugleich steht Berlin vor der Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die soziale Infrastruktur (z.B. Schulen) und die stadttechnischen Anlagen z.B. die Wasserver- und -entsorgungsnetze an die sich verändernden Bedingungen anzupassen. In den vergangenen Jahren wurde eine ganze Reihe größerer oder kleinerer Forschungsprojekte und Modellvorhaben entwickelt, ausgewertet und die Erkenntnisse dokumentiert, aus denen vielfältige Handreichungen und Arbeitshilfen für künftige Projekte hervorgegangen sind. Umfangreiche Informationen wie z. B. Leitfäden und Arbeitshilfen, eine Wanderausstellung zu Ökologischen Gebäudekonzepten und erste Projekte eines ökologischen Stadtplans stellt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Handlungsbedarf besteht in der erforderlichen Anpassung der institutionellen Rahmenbedingungen wie z.B. Normen, Gesetzen und der fachübergreifenden Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Ein intensiver Austausch zu Rahmenbedingungen, Zielen und Herausforderungen sind bei Planung, Bau und Betrieb unterschiedlicher Systeme zu berücksichtigen. „Alle zukünftigen Planungen müssen sich an ökologischen Gesamtkonzepten orientieren, die sich in die Handlungsfelder/Bausteine Energie, Wasser, Gün, Abfall und Baustoffe gliedern und die vernetzt und in ihrer Wechselwirkung zueinander betrachtet werden müssen“ (Lompscher). Ökologische Standards sollen auch für die Städtebauförderung verbindlich gemacht werden.

Grundsätzlich stellen sich sehr unterschiedliche Herausforderungen an die Akteure, wenn die Planung und Einführung gekoppelter Wasserinfrastrukturen in Bestandsgebieten oder Neubaugebieten umgesetzt werden sollen.  Die Komplexität der zu beachtenden Rahmenbedingungen im Bestand ist gegenüber Neubauvorhaben grundsätzlich wesentlich größer. Hier bestehen Umsetzungshemmnisse wie etwa fehlende (planungs-) rechtliche Ansatzpunkte oder heterogene Gebäude- und Eigentümerstrukturen – ein abgestimmtes und effektives Umsetzungsinstrumentarium liegt hierfür noch nicht vor. Gleichwohl ist in der aktuellen Koalitionsvereinbarung als Ziel festgelegt, „die Gebäude- und Grundstücksflächen, von denen Regenwasser direkt in die Mischwasserkanalisation eingeleitet wird, jährlich um 1% zu reduzieren“ und Forschungsprojekte wie KURAS: Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersysteme in die Praxis zu überführen und weiter zu entwickeln. Für Neubauvorhaben und den Stadtumbau in Bestandsquartieren soll das Thema „Regenwasserbewirtschaftung“ so frühzeitig wie möglich Eingang in den Planungsprozess finden. Die Umsetzung einer wassersensiblen Stadtentwicklung in Berlin als stark wachsende Stadt umfasst neben der Regenwasserbewirtschaftung viele weitere Maßnahmen und stellt die Akteure vor Herausforderungen auch in neuen Formen der Zusammenarbeit. Sie ist aber auch eine Gelegenheit, neue Konzepte und planungsrechtliche Festsetzungen zu etablieren. Davon können Städtebau und Architektur profitieren. Der Druck zu bauen und eine wassersensible Stadtentwicklung zu berücksichtigen stehen nicht in Widerspruch zueinander.

Regenwasser soll in Zukunft vermehrt dezentral bewirtschaftet, grüne und blaue Infrastrukturen hierfür gezielt genutzt werden. Zur erfolgreichen Umsetzung dieser gekoppelten Maßnahmen im Sinne eines wassersensiblen Berlins müssen öffentliche und private Gebäude und Grundstücke gleichermaßen einbezogen werden. Um die Potenziale für ein resilientes und ressourcenschonendes Berlin auszuschöpfen, müssen öffentliche wie private Akteure auch neue Formen der Zusammenarbeit finden.

Vor diesem Hintergrund wurde auch diskutiert, in welcher Form und in welcher Rolle eine bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) angesiedelte Regenwasseragentur Prozesse zur Umsetzung dezentraler Lösungen für einen neuen Umgang mit Regenwasser unterstützen kann.