Das Projekt

Transformationsmanagement für eine nachhaltige Wasserwirtschaft. Kommunalbeispiele für eine zukunftsfähige Wasser- und Abwasserversorgungsinfrastruktur

Was wurde untersucht?

Die kommunale Wasserwirtschaft beruht auf einem über lange Zeiträume gewachsenen zentralen System von Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen und ‑netzen. Bislang galt die Regel, dass die Zentralität und Einheitlichkeit der Systeme bei mittleren bis hohen Siedlungsdichten entscheidende technische und ökonomische Vorteile gegenüber de- oder semizentralen Systemen hat. Erst die in den ostdeutschen Bundesländern auftretenden Entwicklungen der (soziodemografischen) Schrumpfung zeigen eine völlig neue Problematik auf: Das Erreichen von Funktionsschwellen durch Unterauslastung. Da diese Erscheinungen in der Grundtendenz auch in den alten Bundesländern auftreten, lohnt es sich, diese Phänomene beispielhaft näher zu betrachten und Transformationsmöglichkeiten der stadttechnischen Systeme zu untersuchen. In mehreren Beispielkommunen soll die Machbarkeit intelligenter Systemlösungen in Form der Kopplung zentraler mit semizentralen Systemalternativen in ausgewählten Methoden partizipativer Szenariotechnik angegangen werden. Einbezogen werden sowohl Städte im Prozess der Schrumpfung, Städte mit teilräumlichen Schwankungsproblematiken sowie solche mit weiter wachsender Bevölkerung und damit stagnierendem bis steigendem Verbrauch.

Besondere Herausforderungen für Politik und Verwaltung in Kommunen

Die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger vieler deutscher Städte stehen vor der Herausforderung, Leitvorstellungen für die Entwicklung ihrer Kommunen unter (tendenzieller) Schrumpfung zu entwickeln. Bereits heute bilden gesamtstädtische Entwicklungskonzepte das Rückgrat für Stadtumbau und -rückbau. Die stadtverträgliche und einwohnerfreundliche Bewältigung des demografischen Wandels setzt geradezu eine Renaissance langfristiger, konsistenter Stadtentwicklungsplanung und -politik voraus. Aktuelle Studien weisen jedoch erhebliche Defizite hinsichtlich des konzeptionellen Gehalts dieser Leitvorstellungen aus. Einerseits ist in mittel- bis langfristiger Perspektive vielerorts eine erhebliche Planungsunsicherheit zu konstatieren, andererseits fehlt es häufig an einer Einbindung der technischen Infrastruktur in Umbaustrategien. Restriktionen bei den Förderungen eines Städterück- oder -umbaus verschärfen die Situation, da sie die Anpassung der technischen Infrastruktur kaum berücksichtigen. Zudem gestaltet sich die Abgrenzung der stadtumbaubedingten Folgekosten als sehr schwierig. Der Bedarf an Erfahrungsaustausch ist vor diesem Hintergrund groß. Ebenso bedeutsam dürfte es für die kommunalen Akteure sein, Vorstellungen über gangbare Alternativen vorhandener technischer Strukturen zu entwickeln, die damit verbundenen städtebaulichen und finanziellen Voraussetzungen abzuschätzen und das in der Verwaltung erforderliche Know-how zu fördern. Stadttechnik, Architektur und Planung bedürfen insofern einer engen Zusammenarbeit.

Besondere Herausforderungen für die Unternehmen der Siedlungswasserwirtschaft

Die abnehmende Auslastung vorhandener Anlagen und Netze stellt die Ver- und Entsorgungsunternehmen vor vielschichtige Probleme. In einigen Städten und Regionen sind absehbar Rück- und Umbaumaßnahmen der Netze und Anlagen notwendig, die an die Grenzen des betriebswirtschaftlich Machbaren gehen. Doch es gilt auch, über gänzlich neue Techniklinien nachzudenken und insofern bestehende Systemalternativen gegenüber dem Weiterbetrieb vorhandener Anlagen abzuwägen. Die aktuellen Debatten um eine Modernisierung der deutschen Wasserwirtschaft erfahren dadurch eine wichtige Ergänzung.

Intelligente Kombinationen zentraler und semizentraler Systemalternativen

Alles in allem offenbart der demografische Wandel in Verbindung mit sinkender Auslastung der vorhandenen Anlagen die Notwendigkeit, über mögliche Transformationen der bisherigen Systeme nachzudenken. In diesem Zusammenhang könnten kleinere Einheiten und autarke Systeme an Bedeutung gewinnen. Damit sich solche semizentralen Anlagen durchsetzen können, müssen die vorhandenen Systeme sukzessive ergänzt und umgestellt werden. Dies ohne die Funktionalität des Gesamtsystems zu gefährden und den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen gerecht werden. Zugleich gilt es, die Transformation ökologisch und sozial verträglich zu gestalten. Besonders in schrumpfenden Regionen sind innovative Ver- und Entsorgungsstrategien und -konzepte zu entwickeln. Kommunen und ihre Wasserwirtschaftsunternehmen sind dabei gleichermaßen herausgefordert.

Innovationen als Chance für kommunale Ver- und Entsorgungsunternehmen

In Deutschland konnten in den letzten beiden Jahrzehnten beachtliche Innovationen im Bereich alternativer Wasserver- und Abwasserentsorgungstechnologien entwickelt werden. Sie wurden bisher allerdings ausschließlich auf der Ebene von wenigen, kleinskaligen Modellprojekten umgesetzt. Aus den punktuellen Erfahrungen dieser Projekte eines experimentellen Wohnungs- und Städtebaus heraus alleine konnten jedoch noch keine verallgemeinernden Schlüsse und Hinweise für eine Einführung in größerem Maßstab und die Kombination mit vorhandenen Anlagen und Netzen gezogen werden.

Pilotvorhaben haben deutlich gemacht, dass stoffliche Differenzierungen und neuartige Kombinationen von Abwasser und Frischwasser prinzipiell möglich sind. Für die deutschen Kommunen kommt es nun darauf an, Referenzprojekte verfügbar zu haben, die vor allem im Bestand flexiblere Ver- und Entsorgungsstrukturen aufzeigen. Die Referenzprojekte berücksichtigen idealerweise eine mittel- bis langfristige Transformation der zentralen Bestandteile angemessen und besitzen Ausstrahlungskraft auch für andere Städte. Dies ist aus drei zentralen Erwägungen heraus von besonderer Bedeutung:

Volkswirtschaftlich gesehen handelt es sich um flexiblere und nachhaltige Lösungen, mit denen die Schließung von Nährstoffkreisläufen angestrebt wird wie auch – insbesondere angesichts der steigenden Energiepreise – eine energetische Verwertung von Abwasser. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ressourcen von mineralischem Phosphor als Düngemittel bereits sehr knapp sind, so dass aus dem Abwasser Phosphor in einer Weise wiedergewonnen werden sollte, in der es gut pflanzenverfügbar ist.

Abwasser wird insofern technisch und ökonomisch als Ressource begriffen. Intelligente Systemlösungen zeichnen sich aus durch Stoffstromreduktion (Ökoeffizienz), höhere Flexibilität und teilweise kürzere Leitungswege und repräsentieren gegenüber konventionellen Systemlösungen (im Sinne der Regeln der Technik) langfristig eine ökonomische Effizienzanhebung (Energieverwertung). Qualitätsgesichertes Regenwasser als Trink- und Brauchwasserressource macht es überdies möglich, ein gegenüber den klassischen Frischwasserbereitstellungen völlig neues Design zu erzeugen.

Hinzu kommt, dass sich durch die langfristige Transformation der vorhandenen Systeme Chancen bieten, die weit über die deutschen Kommunen und ihre Ver- und Entsorgungsunternehmen hinaus reichen. Integrierte Lösungen zur Wasserver- und -entsorgung dürften erhebliche Ausstrahlungskraft auch auf Länder in anderen Erdteilen zur Lösung der Weltwasserkrise besitzen. Sie könnten damit einen Beitrag zur Sicherung der Weltmarktposition Deutschlands leisten. Die deutschen Städte und ihre Ver- und Entsorgungsunternehmen können hier eine bedeutsame Vorreiterrolle für die Zukunft übernehmen.

Ziele des Vorhabens

Gemeinsam mit Ver- und Entsorgungsunternehmen aus sechs unterschiedlichen Untersuchungskommunen wurden in netWORKS 2  langfristig tragfähige Angebots- und Infrastrukturkonzepte entwickelt. Einen Untersuchungsschwerpunkt bildete die Frage, inwieweit semi- und dezentrale Lösungen ökonomisch und ökologisch effizienter sind und im existierenden betrieblichen Rahmen sukzessive angewandt werden können. Strukturanpassungen der Anlagen und Einrichtungen der technischen Infrastruktur sollen also nicht losgelöst von den unternehmerischen Erfordernissen erfolgen, sondern nur in Einklang mit diesen. Stadtkonkret gilt es zudem, den Handlungs- und Anpassungsbedarf im Einklang mit entsprechenden Stadtentwicklungskonzepten auszuzeichnen und das auch in Politik und Verwaltung notwendige operative Wissen zu entwickeln. Ferner ist zu diskutieren, inwieweit die anerkannten Regeln der Technik bzw. Stand der Technik einer Anpassung bedürfen.

Die Erprobung erfolgte entlang des vom Forschungsverbund entwickelten netWORKS-Ansatzes zur integrierten Strategiebildung. Insofern diente netWORKS 2 auch der Weiterentwicklung des netWORKS-Ansatzes aus der früheren Phase.

Europäische Dimension des Vorhabens

Nicht nur Deutschland sondern zahlreiche europäische Staaten sind mit den Herausforderungen des demografischen und des infrastrukturtechnischen Wandels konfrontiert, wobei das Ausmaß sowie die zeitliche und räumliche Dimension sehr unterschiedlich ausfallen. In den meisten Ländern werden die mit der demografischen Entwicklung verbundenen langfristigen ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen thematisiert. Konkrete Empfehlungen zum Umgang fehlen jedoch häufig. Dies gilt auch mit Blick auf die Notwendigkeit einer Anpassung der infrastrukturellen Kapazitäten an sich verändernde Rahmenbedingungen.

Die Forschungsarbeiten im Einzelnen

Vertiefung der Problemanalyse und Vorbereitung aktivierender Schritte

  • Aufarbeitung vorhandener Literatur und Dokumente, insbesondere hinsichtlich vorhandener Abschätzungen zukünftiger Entwicklungen und zentrale Zukunftsfragen im Bereich der Siedlungsentwicklung und Siedlungswasserwirtschaft.
  • Problemanalyse in den sechs Praxispartnerstädten zur Zuschärfung der späteren Szenarioanalyse.

Internationaler Vergleich

  • Bestandsaufnahme internationaler Erfahrungen und Projekte, die sich mit Fragen von Demografie, Infrastruktur, Wasserwirtschaft und Handlungsoptionen beschäftigte. Im Hinblick auf den Transfer der Erfahrungen wurden die unterschiedlichen demographischen, infrastrukturellen und planerisch–institutionellen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Ländern und Regionen Europas berücksichtigt.

  • Fachgespräch mit internationalen Experten. Inhaltliche Schwerpunkte dieses Fachgesprächs waren Anpassungsstrategien von Infrastruktur an veränderte Rahmenbedingungen, Infrastrukturbereitstellung (öffentlich-private Unternehmen, Rolle der Kommunen), die Anwendung alternativer Systemlösungen.

Betriebswirtschaftliche und umweltökonomische Bewertung von Systemalternativen eines nachhaltigen Ressourcenschutzes und einer effizienten Ressourcennutzung

  • Die betriebswirtschaftliche und umweltökonomische Bewertung von Systemalternativen zur Ermittlung von integrierten Strategien eines nachhaltigen Ressourcenschutzes und einer effizienten Ressourcennutzung in ausgewählten Modellfällen. Die Bewertung unterschiedlicher Systemalternativen (Szenarien) zum Transformationsmanagement umfasst die betriebswirtschaftlichen Aspekte aus Sicht der Ver- und Entsorgung sowie die umweltökonomischen Kriterien der Ressourcennutzung.
  • Ergänzung des betriebswirtschaftlichen Kostenvergleichs um eine Bewertung der volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen von Systemvarianten.
  • Das Ergebnis ist ein Konzept der mehrdimensionalen Bewertung von Transformationsstrategien der Wasserwirtschaft zur Entwicklung eines nachhaltigen Ressourcenschutzes und einer effizienten Ressourcennutzung. Das methodische Konzept wurde so gestaltet, dass es bei vergleichbaren Aufgaben verwendet werden kann.

Partizipartive Szenarioerstellung

  • Die Szenario-Technik wurde genutzt, um die Diskussion über optimale Technik- und Netzstrukturen der Siedlungswasserwirtschaft zu eröffnen. Im Zentrum jedes Fallbeispiels stand das Erarbeiten von explorativen Zukunftsszenarien, um so mögliche Auswirkungen und Konsequenzen von Handlungsalternativen zu erkennen.

  • Zunächst wurden drei mögliche kontrastierende Handlungsstrategien als Szenarien für die weitere Arbeit umrissen ("Rohszenarien"). Auf dieser ersten Bestimmung der unterschiedlichen Szenarien bauten deren quantitative Unterfütterungen auf. Anschließend erfolgte eine qualitativ genauere Beschreibung der Szenarien. Gemeinsam mit den Praxisvertretern wurden die Szenarien ausformuliert, Zusammenhänge innerhalb der verschiedenen Szenarien beschrieben und die Unterschiede zwischen den Szenarien signifikant hervorgehoben (Konsistenzprüfung).

  • Im Anschluss wurden die Handlungsstrategien von den Praxispartnern ein Stück weit durchgespielt. Die Praktiker vertraten dabei die jeweiligen Interessen ihrer Institution. Strategieanpassungen waren dabei zulässig, damit die Handlungsstrategie auch in der Kommune verankert werden kann.

Verallgemeinerung

  • Die Untersuchungen lieferten vielfältige Ergebnisse in Hinblick auf die unterschiedlichen Planungs- und Umsetzungserfahrungen einer Infrastrukturtransformation sowohl für die Stadtplanung und Stadtentwicklung als auch für Unternehmen der Wasserversorgung und Stadtentwässerung. Diese galt es für die Praxis in Kommunen und Unternehmen aufzubereiten.

  • Formulierung von Handlungsorientierungen für andere Kommunen hinsichtlich der Möglichkeiten und Verfahren der Transformation von Netzen und Anlagen. Neben einer Arbeitshilfe in Printform wurde das Bilanzierungsmodell BKW auf der Internetplattform des Forschungsverbundes zum Download bereitgestellt.